Sonntag, 9. Juli 2017

Tödliches Blau, Ein Oxford Krimi, Katharina M. Mylius, Dryas Verlag



Tödliches Blau, Ein Oxford Krimi, Katharina M. Mylius, Dryas Verlag
In diesem 4. Band von Inspectors Heidi Green und Frederick Collins der Thames Valley Police in Oxford steht alles im Zeichen der legendären Universitäts-Ruderregattas.
Als Inspector Collins morgens früh zu seiner täglichen Laufrunde an der Themse aufbrechen will, erhält er einen Anruf von Sergeant Simmons, der ihm sehr langatmig erklärt, daß sich auf der Themse ein Ruderunfall ereignet zu haben scheint, er jedoch Spuren am Opfer entdeckt hat, die gegen einen Unfall sprechen. Die junge Joggerin Kim Burke hat auf ihrer Laufrunde in der Themse einen leblosen Körper entdeckt und an Land gezogen. Als er und seine Kollegin Heidi Green an der Fundstelle nahe der Universitätsbootshäuser eintreffen, müssen sie ihrem eifrigen jungen Kollegen zustimmen. Das Auffälligste ist jedoch die Identität des Opfers, es ist der Coach der Ruderteams, auf dem nach der letzten erfolgreichen Saison nun alle Hoffnungen ruhten, um den Ruhm der traditionsreichen Universitätsstadt zu mehren. Mit seiner harschen Art und seiner erbarmungslosen Disziplin hatte Coach Marcus Hind nicht nur Freunde. Sowohl diejenigen, die er für die Ruderteams nicht berücksichtigt hat, als auch seine Familienangehörigen haben ihre Gründe, ihn nicht nur in guter Erinnerung zu behalten. Bei der Vielzahl der Verdächtigen kommt einiges an Arbeit auf Collins und Green zu, dabei steht das Wochenende vor der Tür und sie haben ja auch noch ein Privatleben….
Dieser klassische englische Kriminalroman besticht schon zu Beginn mit seiner gründlichen Recherche. Es macht sich sofort bemerkbar, daß die junge Autorin (Jahrgang 1981) einige Zeit in Oxford lebte und arbeitete. Der spezielle Geist der traditionsreichen Universitätsstadt durchströmt jede Seite. Neben atmosphärischen Einblicken in die besondere Architektur der Colleges, die vielen Grünflächen des Ortes und die kleinen Straßen und Pubs, lernt man aber auch die Bedeutung der Disziplin und des Corpsgeistes der Elite-Universitätssportmannschaften kennen. Man liest von dem enormen Druck die geforderten Leistungen zu erbringen, da andernfalls auch das Stipendium und sogar der Studienplatz in Gefahr sind. Am Ende der Geschichte findet sich ein Plan der Stadt, zur besseren Orientierung der Leser, die die Stadt nicht so gut kennen.
Mit diesem Leistungsdruck gehen die Studenten sehr unterschiedlich um. Die attraktive Josie Edwards, setzt auf ihr Sexappeal, um ihre Ziele zu erreichen und trotz der Ablehnung für die Hauptrudermannschaft ihr Ziel des begehrten Oxfordabschlusses zu erreichen. Hannah Hind die Tochter des Toten, hat über sportliche Erfolge versucht die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu sichern. Carl Morgan, der eigentliche Superstar des Ruderteams steht so unter Anspannung, daß ihm bei den Rennen unmögliche Fehler unterlaufen, die Oxford den Saisonsieg kosten könnten. Auch die übrigen Abgelehnten für das Hauptteam Ian Harding und Ryan Ross verhalten sich nicht ganz unauffällig, da ihre Aussagen sich bisweilen sehr widersprechen.
Doch auch der Co-Trainer Kirkwood hätte ein Motiv, da er, der bislang nicht durch übergroßen Arbeitseifer auffiel, nun erstmal die Position als Cheftrainer einnimmt, die er ansonsten nie erhalten hätte.
Zu ärgerlich auch, daß alle Mitglieder im Development Camp und in den Rudermannschaften, die gleichen Turnschuhe gestellt bekommen und die männlichen Ruderer fast alle Schuhgröße 44 tragen. Da helfen die Spuren im Matsch in der Nähe des Fundortes wenig.
Während Collins und Green das Gefühl haben, daß mit jedem neuen Hinweis und jeder neuen Aussage, sich eine Frage löst, aber zwei neue sich stellen, steht ihr Privatleben nicht still. Wie soll Heidi Green es bei all der Arbeit am Sonntag mit ihrem Mann und den Zwillingen Ann und Max zu der Geburtstagsparty im Indoorspielcenter schaffen? Frederick Collins hingegen hofft und bangt auf eine Nachricht seiner Angebeteten, der er doch schon am Mittwoch eine Nachricht schickte und nun verstreichen die Tage, ohne Reaktion von ihr…. Die impulsive Heidi, die mit ihrem Fahrstil Collins regelmäßig den Schweiß auf die Stirn treibt und der intellektuelle Liverpooler sind ein tolles Team, die man einfach mögen muß. Mehr zu ihren Charakteren in der am 17.7.17 folgenden Blogtour.
Die Kombination aus dem traditionellen Oxford-Flair, den kniffligen Ermittlungen und dem wohlportionierten Einblick in das Privatleben der Ermittler hat mir wirklich gefallen. Wobei eines meiner Highlights neben den Hintergrundinfos zur legendären Unistadt der redselige und neugierige Sergeant Simmons ist. Die Arbeitslast scheint ihn zu erdrücken, alle besonders zeitintensiven Aufgaben scheint er erledigen zu müssen, aber irgendwie hört ihm keiner so richtig zu.
Ein wirklich guter Krimi, der sich kurzweilig liest und in dem nicht jeder das ist, was er zu sein scheint.

Donnerstag, 6. Juli 2017

Ein unmöglicher Mord – ein Stableford Krimi aus Yorkshire, Rob Reef, Dryas Verlag



Ein unmöglicher Mord – ein Stableford Krimi aus Yorkshire, Rob Reef, Dryas Verlag
In seinem 3. Fall reisen 1938 Literaturprofessor und Kriminalromanautor John Stableford und seine Gemahlin Harriet genannt Harry nach Upper Biggins, um dort ein paar Tage bei Harriets Eltern zu bleiben. Ihr Vater der Vikar von Upper Biggins feiert die Tage seinen 70. Geburtstag und erwartet all seine Töchter zu Besuch. Während Stableford sich in die Tiefen der schwiegerväterlichen Bibliothek vertieft, kommt Harriets jüngste Schwester aufgeregt hereingestürmt. Im Rosenbeet hat sie einen Golfball mit Hakenkreuzsymbol gefunden. Das erstaunt umso mehr, als der Park des anliegenden Anwesens Annandale Grange seit dem Krieg 1916 verwildert. Er wurde damals zum militärischen Sperrgebiet erklärt, weil die Royal Engeneers dort geheime Kriegsforschung betrieben.
Als dann auch noch das fast nie benutzte Telefon im Pfarrhaus klingelt und Dr. Percy Holmes, Psychiater und Stablefords Mitstreiter in seinen bisherigen Ermittlungen, ihn und seine Gattin für den darauffolgenden Tag zum Bankett in Dinnerkleidung einlädt, kennt das Staunen keine Grenzen mehr. Was macht ausgerechnet Percy bei Harriets Kindheitsfreundin Bella und ihrem Vater Sir Edmund Rogis?
Percy erläutert seinem Freund John, dass der Golfplatz von Annandale auf Geheiß des War Office wiederhergestellt wurde. Es soll dort ein streng geheimes und politisch hochbrisantes Golftournier ausgetragen werden, da Adolf Hitler nach dem Verlust des im August 1936 in Baden-Baden ausgetragenen Tourniers um den „Golfpreis der Nationen“, eine Revanche fordert. Während es dem Führer darum geht, die von ihm gestiftete Trophäe „heim ins Reich zu bringen“ ist sich die britische Regierung der brisanten politischen Situation bewusst. Dr. Percy Holmes als geheimer Mitarbeiter des War Office, ist mit der Überwachung des Tourniers unter Ausschluss der Öffentlichkeit betraut und Stableford soll ihm zur Hand gehen. Doch als beim abendlichen Bankett der Gastgeber Sir Edmund unvermittelt zusammenbricht und am nächsten Tag ein Mord vor aller Augen geschieht, der eigentlich unmöglich erscheint, ist Fingerspitzengefühl und Kombinationsgabe gefragt.
Wie bereits in den klassischen englischen Kriminalromanen ermittelt hier kein Kommissar, die Befugnisse und technischen Möglichkeiten sind somit noch beschränkter, als dies 1938 ohnehin der Fall war. Dies macht einen Teil des intellektuellen Reizes aus. Statt mit High-Tech und Wissenschaft ermittelt Stableford mit seinem messerscharfen Verstand, seiner unglaublichen Allgemeinwissen und geht mit seinen sprachlich verklausulierten Spitzfindigkeiten seinen Mitermittlern bisweilen auf die Nerven.
Aber auch die Kombination aus einem Literaturwissenschaftlers, der sich für Kriminalromane begeistert, der von seinem Freund einem Psychiater im Dienste des War Office immer wieder in Ermittlungen hineingezogen wird, ist ein Garant für interessante Gespräche, die den Leser an der kniffeligen Aufklärungsarbeit teilhaben lassen.
Ein wahrer Leckerbissen für Liebhaber klassischer englischer Whudunnits, der durch fundierte Recherche und interessante kleine Details überzeugt. Es war der wirklich beste Krimi, den ich in letzter Zeit gelesen habe.
Rob Reef verzichtet auf dramatische Effekte, es gibt keine Verfolgungsjagden und doch ist dieser Krimi richtig spannend. Man zermartert sich stets das Gehirn, wer es denn wie und warum gewesen sein könnte. Hier ist die Art der Ausführung so schier unglaublich, daß auch Stableford das Motiv und die Möglichkeit außer Acht lässt und sich vor allem auf das „wie“ konzentriert. Bei der Auflösung des „wie“ habe ich mal wieder einiges über damaliges Know-How und Kriegslist gelernt. Diese historisch fundierten Feinheiten mag ich. Aber nicht nur diese. Die Hauptpersonen sind wirklich liebenswert und dabei sind sie nicht mal besonders schrullig oder skurril, man mag sie einfach. Es macht Spaß ihrer persönlichen Entwicklung zu folgen, auch wenn Dr. Holmes Herzensdame Lady Penelope diesmal nur erwähnt wird und nicht selbst Teil der Geschichte ist.
Da es ein Golf-Krimi ist, befindet sich im Anhang auch ein Golf-Glossar, sowie eine sehr hilfreiche Karte mit Lageplan von Annandale. Keine Sorge, dieser Krimi erfordert keine besonderen Golfkenntnisse, auch als Nicht-Golfer kann man ihn lesen und genießen. Versprochen!
Ein feiner, Krimi im klassischen englischen Stil, der kein „Gedöns“ wie der Rheinländer sagen würde, benötigt, um zu überzeugen. Er besticht durch Eleganz und Köpfchen.