Mittwoch, 7. März 2018

Ein Sommer in Sommerby, Kirsten Boie, Oetinger Verlag



Ein Sommer in Sommerby, Kirsten Boie, Oetinger Verlag
Martha (12), Mikkel (7) und Mats (4) wachsen modern und gut behütet in Hamburg auf. Ihre Eltern verdienen sehr gut, sie sind im Geldhandel an der Börse tätig und reisen viel. Während einer Geschäftsreise in New York hat Mutter Leonie einen schweren Unfall und muß ins Krankenhaus mit mehreren Knochenbrüchen und Gehirnerschütterung. Der Vater bucht sofort einen Flug nach New York und bittet die beste Freundin seiner Frau, die Kinder zur Oma nach Sommerby zu bringen, an die sich Martha nur noch vage erinnern kann und die die jüngeren Brüder noch nie gesehen haben. Aus unbekannten Gründen herrscht Funkstille zwischen Oma und Eltern. Mit sehr gemischten Gefühlen tauchen die Kinder auf dem abgelegenen Hof der Großmutter auf, zu der noch nicht einmal eine richtige Straße führt. Wer zu ihr auf die Landzunge am Meer möchte, muß entweder eine Kuhweide überqueeren oder ein Boot nehmen. Logisch, daß es so weit ab vom Schuß kein Wlan, kein Fernsehen und keinen Handyempfang gibt. Während Martha sich ein Leben ohne soziale Netzwerke nicht vorstellen kann, sind ihre kleine Brüder ganz begeistert von den Tieren und dem Leben am Wasser. Nach uns nach stellt auch Martha fest, daß dieser Sommer ganz schön aufregend ist!
So wie die Eltern der Kinder, immer wieder die Köpfe über die Oma zu schütteln scheinen, habe ich beim Lesen immer wieder den Kopf über die Eltern geschüttelt. Tischmanieren und das Auslassen von Fäkalsprache ist in der Erziehung anscheinend wichtiger, als Selbstständigkeit. Die Kinder sind offensichtlich sehr behütet und jede Gefahr soll von ihnen fern gehalten werden. Doch das Leben ist voller Gefahren, wie man schon an dem schweren Unfall der Mutter inmitten der „Zivilisation“ sehen kann. Dennoch ist es den Eltern gelungen, den Kindern ein Gefühl von Liebe und Verantwortung mitzugeben. Denn ganz alleine bei der unbekannten Oma, die sie ständig mitarbeiten lässt und sie nicht betüddelt, macht sich bei Martha ein starkes Verantwortungsgefühl für ihre jüngeren Brüder breit und ihr wird bewußt, wie sehr sie sie liebt. Nichts da, mit „nervige kleine Brüder“! Wenn die Oma so schroff und fordernd ist, hat sie das Gefühl, sie in Liebe hüllen zu müssen. Abgeschnitten von Wlan und Fernsehen, entdeckt Martha auch den Reiz der Bücher, die ihre Mutter früher offensichtlich verschlungen hat (ich habe Désir´´ von Annemarie Selinko auch geliebt) und zum Einschlafen liest sie ihren kleinen Brüdern Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ vor. Bücherliebhaber werden an Marthas Stöbertour durch Omas Bücherregal ihre wahre Freude haben! In der Einsamkeit von Oma werden die Kinder auch mit der Realität des Überlebens konfrontiert. Rehkitze sind nicht nur süß und Landwirte müssen ihr Vieh durchaus schlachten, um Leben zu können. Harte, ehrliche Arbeit, die aber erfüllt und einen mit dem guten Gefühl etwas geschafft zu haben einschlafen lässt. Als diese Idylle dann bedroht wird, merkt auch Martha, daß Whatsapp nicht alles ist und wie sehr sie dieses Leben und auch ihre Oma liebgewonnen hat. Wetten, daß sie sicher nicht die langweiligsten Ferienerlebnisse der Klasse hat und das obwohl ihre Freundin auf den Malediven ist?
Nach und nach merken Kinder beim Lesen oder zuhören, wie die Bedeutung von Handy und Fernsehen abnimmt. Gut, da wir selbst nicht in der Großstladt leben, können sich unsere Kinder das durchaus vorstellen und kennen es auch, daß das Spielen draußen wichtiger ist, als Fernsehn zu schauen. Aber in Städten sind ja schon Schnecken nicht mehr bekannt (ja, habe ich selbst erlebt, als vor Jahren eine Freundin im Urlaub fasziniert zum ersten Mal im Leben eine Schnecke beobachtete!). Es ist auch toll, wie Mikkel den Lesern zeigt, daß es schön ist, das Gefühl zu bekommen, gebraucht zu werden. Denn zu helfen, heißt nicht ausgebeutet zu werden, sondern daß es auf jeden einzelnen ankommt, daß jeder gebraucht wird und wichtig ist. Erzählt wird aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern einfach durch Beobachten der Kinder und ihrer Entwicklung. Klingt langweilig? Ist es aber nicht, sondern richtig spannend, denn wie bereits angedeutet, ist die Idylle in Gefahr und das muß unbedingt verhindert werden! Und auch im Spannungsteil des Buches dürfen die Kinder noch Kinder sein und handeln entsprechend, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, aber außerhalb dessen, was ihnen ihre Eltern raten würden.
Eine wirklich tolle Geschichte, über das was wirklich zählt, wie z.B. Zeit im Snne von sich Zeit nehmen und Natur.
Spannend, kurzweilig und einfach wunderschön!

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