17 Erkenntnisse über Leander Blum, Irmgard Kramer, Loewe
Verlag
Leander und Jonas sind seit ihrer Geburt die besten Freunde,
denn sie wurden tatsächlich am gleichen Tag im gleichen Krankhaus geboren und
auch ihre Eltern sind seitdem befreundet. Anders als ihre Söhne haben die
Eltern nicht wirklich viel miteinander gemein. Doch Leander und Jonas verbindet
seit jeher die Leidenschaft zum Malen. Früher mit Filz- und Holzstiften auf dem
Boden liegend, später mit Ölfarben auf Leinwänden und als dies für ihre
Produktivität zu teuer wird, mit Spraydosen auf Betonwände. Gemeinsam,
aufeinander eingespielt gleich ihr gemeinsames künstlerisches Schaffen einem
Tanz. Jede Bewegung sitzt, nie kommen sie sich in die Quere, sie ergänzen sich
perfekt. Doch dann erblickt Leander
Rapunzel, ein kleines zartes Mädchen (naja, immerhin fast 18) mit den
Bewegungen einer Tänzerin und goldblondem Haar, das ihr bis über den Po reicht.
Jonas fürchtet, daß Rapunzel Leander das Herz brechen wird, er soll ihm
versprechen sie zu vergessen.
Monate später besucht Leander eine andere Schule, alleine
ohne Jonas. Er wirkt völlig fertig und Lila, die wegen einer Erkrankung erst
später aus den Ferien zurückkam, ist total fasziniert von diesem schweigsamen
Typ. Hat sie ihm was getan? Warum lehnt er sie nur ab? Was hat er? Warum hat er
so dunkle Schatten unter den Augen und wirkt, als würde er in der Schule nur
schlafen?
Das Buch war mein absolutes Lesehighlight. So intensiv,
leidenschaftlich und emotional, doch wurde die Geschichte, die aus zwei
Perspektiven, in zwei Zeitebenen erzählt wird, sehr geschickt aufgebaut. Man
tappt als Leser sehr lange im Dunkeln. Was ist passiert? Wo steckt Jonas und
warum hat Leander die Schule gewechselt? Man ist verwirrt und gebannt und spürt
doch stets eine böse Vorahnung. Während der ganzen Lektüre fragte ich mich, ob
es wohl ein gutes Ende nehmen könnte? Wie Lila fragte ich mich, wer ist Leander
Blum? Lila, verliebt sich ziemlich schnell in Leander, dabei weiß sie nichts
über ihn und er spricht auch nicht mit ihr. Und erst an dieser Stelle verrät
Irmgard Kramer den Lesern, wie Leander eigentlich aussieht, denn es überrascht
und fasziniert. Denn während anfangs stets nur Jonas Charme beschrieben wird
und wie er alle Leute im den Finger wickeln kann, wirkt Leander abweisend, als
würden die Leute vor ihm zurückweichen. Ein Eindruck, den er wohl eher selbst
von sich hat, da er sich stets mit Jonas vergleicht, der aus einem
traditionelleren Elternhaus stammt. Während Lila über Leander nachdenkt kommen
ihr 17 „Erkenntnisse“ welche nicht immer ganz ernst gemeint sind, sondern vor
allem ihre Verwirrung widerspiegeln, wie die Erkenntnis, daß Leander Blum ein
Geist sei. Anfangs sehr distanziert, nennt sie ihn auch in Gedanken nur mit
Vor- und Nachnamen, sieht sie in ihm mit zunehmender Erkenntnis in ihm immer
häufiger einfach nur Leander. Doch kann ein Mensch so voller Leidenschaft und
Emotionen, der Kunst aus jeder Pore atmet, „einfach nur“ sein?
Eine bittersüße Geschichte, die wunderbare Einblicke in die
Welt der Streetart und der Kunst gewährt. Auch wenn Jonas und Leander beim
Malen stets Tschaikowski auflegten, hatte ich ständig die Streicher von Verve’s
„Bittersweet Symphonie“ im Ohr. Dieses Buch verzaubert, nimmt gefangen und gibt
Rätsel auf. Eine unglaubliche Mischung, bis zum Schluß. Der Schluß ist länger
als ich es üblicherweise mag, aber es ist eigentlich unausweichlich und vermag
selbst dann noch in Details zu überraschen.
Die Kapitel werden übrigens steht mit einem Zitat eines
Kunstkritikers oder –kenners zu Leanders Werken und teilweise einer von Lilas
Erkenntnissen über ihren ominösen Banknachbarn eingeleitet. Anfangs hat mich
das schon ein wenig irritiert, doch dann, je mehr ich in das Buch hineinwuchs,
lernte ich zu vertrauen, in das Gespür der Autorin für Timing, Struktur und das
große Ganze. Ich wurde nicht enttäuscht, im Gegenteil.
Mein absolutes Lesehighlight seit einer langen Zeit. Ich war
gefesselt nicht nur bis zum Schluß, sondern auch noch im Schluß. Ein Buch, daß
mich den ganzen Tag beschäftigte und gefangen hielt. Eine echte Wucht, ich kann
es nur empfehlen! Aber 14 Jahre sollte man mindestens sein.
Verliebte 5 von 5 Sternen für dieses Buch, daß ich nicht
hergeben werde.
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