Montag, 6. Februar 2017

Gefährliche Empfehlungen: Ein kulinarischer Krimi, Tom Hillenbrand



Gefährliche Empfehlungen: Ein kulinarischer Krimi, Tom Hillenbrand, KiWi
Dies ist Band 5 der Reihe des Luxemburger Kochs, der immer wieder durch seine Laienermittlungen aus seiner Küche gerissen wird. Band 1 soll wohl gerade mit Moritz Bleibtreu in der Rolle des Xavier Kieffer verfilmt werden.
Xavier Kieffer, ist zur Eröffnung mit riesigem Medienspektakel des neuen Flagshipstores in Paris des Guide Gabin, seiner Freundin Valerie Gabin, eingeladen. Während der Rede von Präsident Francois Allégret, dem alten guten Freund von Valerie, bricht auf Grund eines Stromausfalls eine kleine Panik aus und ein aus der Bestandsbibliothek der französischen Nationalbibliothek nicht ganz offiziell entliehen seltenen Gastroführers Guide Gabin von 1939 bringt Kieffer ins Grübeln. Als der dauerrauchende Koch, die übrigen Leihgaben mit Bestechungswein an den Bibliothekar zurückgeben soll, wird er Zeuge des Mordes an diesem. Der Präsident persönlich fordert ihn auf, der Sache aufzuklären, seiner Freundin Valerie zu liebe. Klar, dem Präsidenten zu Liebe würde Xavier sich nicht aus seiner Küche begeben, denn ein netter Mensch wird nicht Präsident, dessen ist er sich sicher. Doch wie soll ein Koch diese kriminellen Machenschaften aufklären, wenn ihm mindestens ein Geheimdienst an ihm zu kleben scheint. Naja, wenn wer selbst keine Ahnung hat und vor allem kochen kann, der braucht gute Freunde mit speziellen Fähigkeiten oder Kontakten, wie sein finnischer Kumpel Pekka Vatanen, offizielle ein hoher finnischer EU-Beamter, aber eigentlich ein Liebhaber schöner Frauen und Luxemburger Rivaners. Allerdings werfen die Nachforschungen zuerst mehr Fragen und Gefahren auf, als das sie Antworten liefern.
Dies war mein erster Blick in Xavier Kieffers Küche des „deux Eglises“ in der Luxemburger Unterstadt.
Daher ist es mir auch völlig entgangen das hinten ein Glossar: Küchenlatein (naja, mehr Französisch oder Letzeburgisch) angehängt war, der gerade für Leser, die nicht aus dem tiefsten Westen kommen und kein Französisch oder Letzeburgisch verstehen, sehr hilfreich sind.
Für diejenigen die Luxemburg nicht kennen, sind genaue Beschreibungen dieses ungewöhnlichen kleinsten Mitgliedsstaates der EU in die Geschichte mit eingewoben. Paris ist deutlich weniger detailliert beschrieben, Lyon und Berlin ausführlicher als Paris, aber weniger als Luxemburg. Die Detailvielfalt der Ortsbeschreibungen scheint sich also an dem allgemein angenommenen Bekanntheitsgrad der Stadt zu orientieren. Ich kannte die Städte alle, selbst Lothringen und Nancy gegen Ende. Mir gefielen die Beschreibungen der bekannten Orte, andere fanden sie jedoch zu langatmig. O.k. dies ist vor allem ein Wohlfühlkrimi und trotz der involvierten Geheimdienste ist das Tempo der Geschichte an die Leibesfülle des Gourmets angepasst, denn Kieffer muß sich immer wieder eingestehen, daß er nicht wirklich in Form ist. Für Liebhaber guten Essens, netter literarischer Anspielungen an das französische Präsidentschaftssystem, den zweiten Weltkrieg, die Rolle des neutralen Luxemburgs im Krieg und die Geschichte seines Radiosenders, Sterne-Gastro-Führer, Promiköche und neue Restaurantkonzepte ist dieser Krimi jedoch dennoch unterhaltsam, informativ und rätselhaft. Denn ganz ehrlich, bis zuletzt tappte ich im Dunkeln, was es mit diesem speziellen 1939er Gastroführer auf sich hat, obwohl ich durch die Rückblenden zu Captain John Fisher, einen deutschstämmigen Nachrichtenoffizier der Army nach D-Day, immerhin Kenntnisse hatte, die Kieffer noch fremd waren.
Ich fand den Krimi wirklich sehr gut recherchiert und informativ. Nicht nur hinsichtlich des Einblicks in die Welt in die Töpfe der edlen Restaurantküchen dieser Welt, sondern auch die der politischen Intrigen, der kriegerischen Verschwörungen und der zersetzenden Kriegsführung, sondern auch im Hinblick auf die mögliche Entstehungsgeschichte des Guide Michelin. Seit meiner Kindheit hatte ich mich gefragt, was denn eine französische Autoreifenfabrik mit Restaurantführern zu tun haben könnte. Aber nun kann ich mir da schon einen Zusammenhang zusammenreimen.
Die Charaktere sind bisweilen etwas überzeichnet, aber das macht sie wie z.B. Pekka Vatanen oder den „argentinischen Küchenleonardo“ Esteban umso unterhaltsamer und liebenswerter. Gerade die Nebenrollen sind interessant besetzt und herausgearbeitet. Da einige von ihnen nicht zum ersten Mal in dieser Reihe auftauchen, sind sie eine beständige Bereicherung.
Während mich die Ortsbeschreibungen nicht störten, nervten mich bisweilen aber Xaviers ständiges Rauchen. Ich muß es als Leser ja nicht riechen, es bringt die Geschichte aber nicht weiter und bereichert auch nicht meinen Erfahrungshorizont.
Auch als Neuling der Reihe kann man gut folgen und hat keinerlei Verständnisprobleme, sofern man den Glossar findet oder „Küchenlatein“ beherrscht.
Der Autor Tom Hillenbrand wurde 1972 geboren und studierte Europapolitik. Das macht sich durchaus bemerkbar, da ich noch einiges über General de Gaulle lernte, was im Französisch LK weder beim Thema Europapolitik oder politische Reden vorkam. Für Leser informativer Romane und Krimis mit Hintergrundwissen ist es daher eine Bereicherung, daß er als Ressortleiter bei Spiegel Online ausstieg und sich dem Schreiben widmete.
Ein guter solider Krimi, der mich unterhalten hat und dessen eigenwilliger Ermittler mit bisweilen sperrigem Charakter mich auf die Verfilmung neugierig macht. Moritz Bleibtreu passt für mich als Besetzung nicht, aber mal schauen ;)
Ich bedanke mich herzlich für einen guten Krimi und eine anregende lebendige Leserunde!

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