Samstag, 28. Januar 2017

Federspiel, von Oliver Ménard, Knaur



Federspiel, von Oliver Ménard, Knaur
Die Journalistin Christine Lenève aus Berlin, aufgewachsen bei ihrem alleinerziehenden Vater in Frankreich ist eine Getriebene. Wenn sie eine Spur aufgenommen hat, beißt sie sich fest und gibt nicht auf. Der legendäre Chefredakteur Beinert ihr den Auftrag erteilt Sarah Wagner, seine spurlos verschwundene Moderatorin eines Peoples Sendung zu suchen, ist sie er mal nicht begeistert. Dieses blonde Kunstgeschöpf ist ihr erst einmal unsympathisch. Doch je mehr sie in Sarahs Wohnung und Vergangenheit, desto mehr weiß sie, daß Sarah nicht einfach eine oberflächliche Barbie mit Vitamin B ist, sondern eine Frau in Not. Ihr ehemaliger Kollege Albert, ein hervorragender Hacker unterstützt sie, damit jemand auf sie aufpasst. Die Spuren führen zum berüchtigtsten Serienmörder der DDR, der es stets auf 16-18 jährige blonde Mädchen abgesehen hatte, welche er vergewaltigte und dann die Asche der verbrannten Leichen an die trauernden Eltern schickte. Doch Sarah ist inzwischen keine 17 mehr, wieso jetzt, wieso sie? Ein Rennen gegen die Zeit entspinnt sich, in dem Christine und Albert von dem inzwischen pensionierten Ermittler der Volkspolizei unterstützt werden, der es nie verwunden hat, daß der Mörder auf Grund des Mauerfalls nie gefasst wurde.
Dieses Thriller führt in menschliche Abgründe, sowohl des Täters, des Opfers, aber auch ihrer Verfolger. Der Thriller beginnt packend und sehr spannend. Mein Problem war, daß ich mich mehr mit Albert als mit Christine identifiziert habe. Albert ist ein Schatz, den muß man einfach mögen, während Christine Verletzungen aus der Vergangenheit eine gewisse Distanz zu ihr aufbauten. Meine Ernährung ist sicher nicht vorbildlich, aber im Vergleich zu Christine könnte ich Ernährungsratgeber schreiben. Bei dem Konsum von Zigaretten und Energy-Drinks ist mir schon beim Lesen schlecht geworden. Christine versucht stets Albert nicht zu verletzen, weil auch sie erkennt, was er für ein Schatz ist. Ohne es zu wollen tut sie es dennoch. Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb ich nicht ganz so mitfiebern konnte, wie andere. Denn dieser Thriller hat neben der Spannung auch noch andere Stärken. Ich mochte die Seitenhiebe auf die ehrgeizigen Prenzlauer-Berg-Mütter und Menschen die sich zum Ausdruck ihrer Individualität tätowieren lassen. Die kleinen feinen Beobachtungen der Berliner und ihrer Kieze gefielen mir. Diese trafen auch bisweilen die oberen 10.000 und die, die gerne dazu gehören. Promi-Psychiater und Star-Anwälte werden von der spitzen Feder des Autors auch nicht verschont. Das machte mir sprachlich wirklich großen Spaß, ebenso wie die Einblicke in die zurückgebliebenen der DDR. Ich gehöre einer Generation an, die fast nur das Beste der DDR erlebt haben. Als Kinder haben sie nicht allzu sehr nachgedacht, wegen der wenigen Autos konnte man gefahrlos auf der Straße spielen und über Reisen und Freiheit hat man nicht groß nachgedacht. Doch für einige Ältere wurde mit dem Mauerfall quasi der Boden unter den Füßen weggezogen. Die ehemaligen Gesetzeshüter müssen sich gefühlt haben, als würde ihre bisherige Arbeit mit Füßen getreten. Als kämen da mal ein paar Entwicklungshelfer, die ihnen mal dringend zeigen müßten, wo es lang geht. Aber die Menschen im Osten waren ja nicht dümmer, sie mußten mit weniger Mitteln z.T. die gleiche Arbeit erledigen. Das machte kreativ. Einblicke in diese Behelfseinfälle bietet der 2. Teil des Buches, der sich auf die Taten in Brandenburg vor über 20 Jahren konzentriert. Diese Einblicke und Reflexionen heben diesen Thriller aus der Masse ab. Spannung setze ich bei einem Thriller voraus, den Mehrwert erhoffe ich, erhalte ihn jedoch nicht immer.
Ein wirklich guter Thriller, dem ich gerne 4 von 5 Sternen gebe und wirklich zu Lesen empfehle.
Ein ganz herzliches Dankeschön an den Autor, der mir umwerfender Weise ein signiertes Exemplar schickte, weil ich mich nach all den begeisterten Rezensionen mit schwarzärgerte, diese Runde verpaßt zu haben.

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